Sündhafte Perverslinge?

Auch heute noch wird es in den Kirchen und christlichen Gemeinschaften hundertfach gepredigt, dass Homosexualität eine der schlimmsten Sünden sei. Dieses törichte Denken jedoch ist nur das Resultat jahrhundertelanger christlicher Irrlehre. Nicht der Homosexuelle ist nämlich krank und sündhaft, sondern sündhaft handeln einzig und allein diejenigen, die Homosexuelle abwerten und unermüdlich mit ihren Vorurteilen verfolgen. Nicht die gleichgeschlechtliche Liebe ist Sünde, sondern Sünde ist und bleibt es vielmehr, dass gerade die Kirche andersdenkende und andersfühlende Mitmenschen in Einsamkeit und Verzweiflung hineintreibt und viele erschütternde Lebensschicksale zu verantworten hat.

Es ist ganz gewiss keine „Sünde“, wenn ein Mann einen anderen Mann bzw. eine Frau eine andere Frau liebt. Sünde ist es jedoch, wenn diese sexuelle Ausdrucksform von religiösen Schwachköpfen und anderen gehirnamputierten Besserwissern immer noch als unnatürlich, als unnormal, als krankhaft und sündhaft abgewertet wird.

Die eigentliche Sünde ist, dass keineswegs wenige  Menschen so viele beschwerte Gewissen von Generationen homosexuell empfindender Menschen auf ihren Schultern tragen. Was Kirche und Gesellschaft  an Liebe und Verstehen ihren homosexuellen Mitmenschen gegenüber versäumt haben, ist wohl kaum wieder gutzumachen.

Maßstab ist nie und nimmer die sexuelle Orientierung eines Menschen, sondern wohl eher, wie ein Mensch sein Leben nach dem Maßstab der Liebe gelebt hat. Um so bestürzender ist allerdings der verhärtete und uneinsichtige Standpunkt christlicher Zeitgenossen und biblischer Apologeten.  

Stets mit der Bibel argumentierend hat die Kirche sehr vielen Menschen eingeredet, die Sexualität sei nur für die Fortpflanzung bestimmt und nur in der Ehe erlaubt. Die Kirche predigte jahrhundertelang, wir Menschen müssten unsere Sexualität zügeln mit Hilfe des Geistes, um unsere unsterbliche Seele rein zu erhalten. Und die Kirche predigte und predigt es auch noch heute, Sexualität dürfe es nur zwischen den verschiedenen Geschlechtern geben, niemals aber mit dem gleichen Geschlecht und auch niemals mit sich selbst. Und diese Sexualmoral wurde vielen Menschen eingehämmert und eingetrichtert und so hat die Kirche immer wieder viele Menschen dazu gebracht, sich ihrem eigenen Körper zu entfremden.

Ein ebenso schauriges Märchen lehrte uns die Kirche, indem sie predigte und verkündigte, dass Sexualität nur zwecks Fortpflanzung erlaubt sei. Doch jeder gesunde Menschenverstand sträubt sich gegen diese Unwahrheit, denn Sexualität ist weit mehr als nur Fortpflanzung, nämlich auch menschliches Kommunikationsmittel ähnlich unserer Sprache. Sie ist mehr als nur ein Naturtrieb, mehr als nur Geschlechtsverkehr, denn sie hat viele Ausdrucksformen der Zärtlichkeit. Sie ist Sprache unserer Sinne und unseres Körpers. Wer demnach Sexualität allein auf Fortpflanzung beschränkt, verstümmelt sie als vermeintlich gute Gabe Gottes.

Kein Wunder also, dass alle Formen jener Sexualität, die nicht der Zeugung dienen, wie z.Bsp. Homosexualität oder auch Selbstbefriedigung, aufgrund der christlichen Lehre als unnatürlich gelten müssen. Durch diese Sexualmoral wurden und werden auch heutzutage noch viele Menschen, die derartigen Bibel-Fanatikern ausgeliefert sind, immer wieder neu aus - und eingesperrt.

Eingesperrt sind die Heteros, denn sie werden gezwungen, ihre Neigungen zu verdrängen gegenüber den eigenen Geschlechtsgenossen und alle zärtlichen und wärmeren Empfindungen für sie zu unterdrücken und zu verbergen. Ausgesperrt dagegen sind die Homosexuellen, weil sie dem Zwang zur Heterosexualität nicht entsprechen können.

Statt die Menschen zu ermutigen, hat die Kirche im Verlauf ihrer Geschichte meist nur Verbote aufgestellt. Sexualität wurde oft mit etwas Sündhaften in Verbindung gebracht und das ist tief in die Gehirnzellen vieler Menschen eingedrungen.

Kirche? Nein, Danke! Diese Kirche hat viele Menschen in Schuldgefühle gestürzt, in ihrer Beziehungsfähigkeit behindert und diese Beziehungsfähigkeit vielleicht sogar zerstört. Die Kirche hat Angst und Zerrüttung in das Leben vieler Betroffenen gebracht und ihre Seele krank gemacht.

Wie merkwürdig: Das Neue Testament spricht von den Werken des Fleisches und der Sünde, die aber nirgends so deutlich zu fassen sind wie in der Kirche selbst. Ja, die Macht der Sünde ist nirgendwo so unheimlich wie in dem Raum, wo eigentlich Liebe, Frieden und Freude herrschen sollten.

Auch verstehe ich sehr gut, warum und weshalb so viele christliche Besserwisser stur und beharrlich daran festhalten, dass Homosexualität etwas sehr Sündhaftes sei. Es darf eben einfach nicht wahr sein und auch niemals wahr werden, dass die Bibel, die angeblich „Heilige Schrift“, das angebliche „Wort Gottes“, hier und dort auch einmal Unrecht haben könnte.

Wie aber kann etwas „Sünde“ sein, für das sich die Betroffenen nie und nimmer freiwillig entschieden haben? Kein Schwuler möchte zunächst schwul sein. Man ist es einfach, so sehr man sich auch dagegen wehrt. Wie kann es Sünde sein, einen Menschen zu lieben? Für derartige Fragen und Überlegungen jedoch ist in den Hirnen und Köpfen vieler Menschen keinerlei Platz und somit werden Homosexuelle entweder übersehen, vergessen oder totgeschwiegen.

Viele Menschen ertragen es, wenn Menschen sich Schlimmes zufügen, aber sie sind entsetzt, wenn zwei Männer oder zwei Frauen sich lieben. So meinen und glauben immer noch viele Leute, Homosexualität sei etwas furchtbar Unnatürliches. Doch dieses Denken ist anmaßend und hochmütig, denn hier glauben Menschen, festlegen zu können, was natürlich und was unnatürlich ist. Und hierbei haben Nichtchristen meist unbewusst und unbemerkt die kirchliche Lehre übernommen und gläubige Menschen berufen sich bezüglich ihrer Verurteilung von Homosexualität immer noch auf biblische Aussagen und Argumentationen.


Jedoch was sagt die Bibel eigentlich zur Homosexualität?

Zunächst ist diese Frage völlig falsch gestellt und muss demnach also korrigiert und ganz anders formuliert werden: Was sagt diese Bibel über gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen?

Hier gilt: Über gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr gibt es mehrere Bibelstellen, jedoch über gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen berichtet die Bibel nur an einer einzigen Stelle: es handelt sich hierbei um die Freundschaft zwischen David und Jonathan in 1.Sam.20. David liebt seinen Freund Jonathan über alles, sie küssen sich und weinen umeinander über die Maßen. Als Jonathan in einer Schlacht fällt, singt David ihm ein Klagelied: Mein Bruder Jonathan, mein bester Freund, voll Schmerz und Trauer weine ich um dich, denn deine Freundschaft hat mir mehr bedeutet als Frauenliebe je bedeuten kann!

In der Lutherübersetzung kommt es noch drastischer zum Ausdruck: „Ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt und deine Liebe ist mir wundersamer gewesen als Frauenliebe ist.“

Hier wird nirgendwo von Homosexualität gesprochen, aber von einer stark gefühlsmäßigen und sehr zärtlichen Beziehung zwischen zwei Menschen des gleichen Geschlechts; hier wird beschrieben, was wir Liebe und Zuneigung nennen.

Doch kaum ein Christ stößt sich an dieser biblischen Geschichte und kein Christ ist entsetzt darüber, dass sich dieser David und Jonathan gegenseitig küssten, sondern es wird heuchlerisch und verlogen als etwas ganz Normales zwischen zwei guten Freunden empfunden. Wie haarsträubend, sich derart töricht und hirnlos aus den Verstrickungen von Lüge und Heuchelei herauswinden zu wollen.

Mit keinem einzigen Wort wird diese Liebe zwischen David und Jonathan in der Bibel als Sünde, als Unzucht oder Perversion verurteilt oder verunglimpft. Und was praktizieren auch heute noch die christlichen Gegner der Homosexualität? Mit großer Vorliebe werden stets nur die anderen Bibelstellen zitiert, in denen nicht von wirklichen Homosexuellen, sondern vielmehr von den sogenannten Knabenschändern die Rede ist. Wer aber mit derartigen Bibelstellen gegen die Homosexualität argumentiert, hat bisher noch nicht kapiert und begriffen, was Homosexualität eigentlich ist und wirklich bedeutet. In keiner einzigen dieser oftmals zitierten Bibelstellen ist nämlich von einer individuellen, personalen Beziehung die Rede, sondern stets nur von einer in keinem personalen Zusammenhang stehenden Sexualpraxis.

Sexualität als Ausdruck von Zuneigung und Liebe haben diese Bibelstellen nicht im Blick. Und hier wird sehr deutlich, dass die Bibel nicht gegen Liebesbeziehungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechts ins Feld geführt werden kann.

Im Neuen Testament ist es vorwiegend der Apostel Paulus, der homosexuelle Praktiken anprangert und verurteilt. Leider wird das Problem der relativ unkorrigierbaren Homosexualität von diesem Paulus weder erkannt noch gesehen und wahrgenommen. Dieser vom „Heiligen Geist“ Gottes erfüllte Paulus weiß offenbar noch nicht, was inzwischen erwiesen ist, dass nämlich der Homosexuelle nicht aus seiner Haut herausschlüpfen kann wie aus einem Oberhemd. Für diesen Paulus steht fest, dass die Homosexualität nur einer Laune des Betreffenden entspricht. Und so wie dieser Paulus dachte, so denken auch heute noch viele Christen und Nichtchristen. Wer jedoch derartig über wirkliche Homosexualität urteilt, muss sich eines Besseren belehren lassen und unterliegt einem großen, gewaltigen Irrtum.

Von der christlichen Lehre infiziert, ist Homosexualität für viele Menschen immer noch eine willkürliche Praxis und somit leben diese Menschen in dem Irrtum, dass diese Neigung jederzeit aufgegeben werden könnte, dass der Homosexuelle durchaus auch heterosexuell fühlen und leben könnte. Die Realität ist jedoch, dass Schwulsein keineswegs eine willkürliche Praxis ist und auch nicht gegen Heterosexualität ausgetauscht zu werden vermag.

Wer diesen Irrtum also immer noch hegt und pflegt, sollte sich einmal ernsthaft fragen und prüfen, ob es ihm als Heterosexuellen wohl möglich ist, seine Heterosexualität gegen Homosexualität auszutauschen. Aber genau das verlangt und erwartet die Umwelt nicht selten von den „sündhaften“ Homosexuellen. Kein Hetero vermag homosexuell zu fühlen und zu leben, jedoch den Homosexuellen wird zugemutet, heterosexuell fühlen und leben zu können.

Fazit: Wie verlogen, wie unverantwortlich und inkonsequent viele Menschen doch sind. Wer jedoch wirklich ein „Mensch“ sein möchte, der sollte sich schnellstens und endgültig auf die Seite homosexuell liebender Menschen stellen und diese zum Leben ermutigen, anstatt Ängste in ihnen zu erzeugen. Wer wirklich als „Mensch“ leben und handeln möchte, der sollte nicht länger biblische Texte zur Herrschaft über andere benutzen.

Ja, das sollten alle Menschen und besonders alle Christen schnellstens lernen: Wie der Geist weht, wo er will, so weht auch die Liebe, wo sie will ! Doch Christen sind meist aus einem anderen Holz geschnitzt, was nachfolgende Beispiele deutlich belegen:

„Das auf dem Kirchentag Homosexuelle vertreten waren, zeigt, dass hier nicht der Geist Gottes, sondern der Geist aus der Tiefe am Werke war“.

„Der Homosexuelle kann Vergebung erlangen, wenn er seine Schuld für seine Verkehrtheit bekennt“.

„Die Anerkennung der Homosexualität wäre ein Schlag ins Gesicht eines jeden normalen und gesunden Menschen und eine Schande für unseren Kulturstaat“.

“Wenn wir Christen die Homosexualität akzeptieren, dann werden wir schuldig“.

Wie können Christen derartige Worte überhaupt schreiben und in den Mund nehmen? Wie sind solche Aussagen von Christen wohl letztlich mit dem Liebesgebot ihres Herrn und Meisters vereinbar? Solche Worte treiben den Homosexuellen in die Heuchelei, in die Angst, in die Abwehr. Dennoch wird stur und beharrlich daran festgehalten: wer Homosexualität bejaht, toleriert und akzeptiert, handelt unbiblisch und macht sich schuldig.

Gebet eines schwulen Christen:

„Oh Gott, wenn es Dich wirklich gibt, so  lege ich mich in deine Hände, mein Ich, mein geschundenes, kaputtes, enttäuschtes, zorniges und ohnmächtiges Ich. Ich bringe alle meine Verletzungen mit: meine Ängste und meine Einsamkeit, meine unerfüllte Sehnsucht und meine zerbrochenen   Träume, meine zerstörten Beziehungen und meine vielen Abschiede von Menschen, die ich liebte. Ich bringe aber auch meinen Zorn mit: meine Wut über Menschen, die mich abwerten und zum Sünder stempeln, weil ich anders fühle als sie. Ich bringe dir meine Verachtung für Menschen, die auf hohen Rössern sitzen, die jedoch nur aus Holz sind. Zu dir kann und darf ich das alles bringen, denn Du sagst Ja zu mir. Du verstehst meinen Hass und meine Angst. Du siehst die Liebe, die ich in mir fühle, auch die unerfüllte Liebe. Vor dir darf ich sein, wer und wie ich wirklich bin – ohne Versteckspiel, ohne Maske. Das lässt mich leben und macht mir Mut gegen Unrecht und Dummheit und Gewalt.“


Abschließend noch ein Gebet, welches die Situation all derer treffend beschreibt, die einerseits an Gott glauben und andererseits vom Bodenpersonal Gottes zu sündhaften Perverslingen abgestempelt werden:     

„Herr, wenn du immer wieder zuschlägst, werde ich zerbrechen.
Wenn du mich immer wieder fallen lässt, werde ich auslöschen.
Wie viele Lasten soll ich noch tragen? Und wie lange noch?
Wohin ich auch blicke: Überall sitzt die Sorge und böse Träume schrecken mich wach.
Halte mich fest, Herr, und gib mir Freunde, die mich lieben.
Ihnen will ich vertrauen, denn viele andere meinen sich doch nur selbst.
Das verschließt mir den Mund und ich hüte meine Zunge und fresse alles Leid in mich hinein. 
Doch in meinem Herzen brennt es wie Feuer.
Manchmal wünschte ich: wärst du doch ein Vogel, dass du weit davonfliegen könntest,
oder eine Maus, die sich verkriechen kann,
denn viele suchen nur das eine und wie sie den anderen beiseite schieben können.
Viele an mein Ohr dringende Worte sind glatt wie Butter, so dass vieles ins Wanken gerät.
Herr, hilf, denn ich versinke wie im Moor und meine Füße finden keinen festen Grund,
nicht aber, weil ich bin, wie du mich gemacht hast, sondern weil so viele Menschen
damit nicht zurechtkommen und mich als deine Schöpfung abwerten.
Ich warte, ob jemand ein gutes Wort für mich hat, jedoch viele geben mir nur Gift und Galle. 
Viele Menschen rings um mich, aber keine wirklichen Freunde, sondern nur Fremde.
Keiner will den andern kennen, höchstens dann, wenn es gilt,
ihm Stöcke zwischen die Beine zu werfen. Du aber, Herr, siehst meine Einsamkeit.
Herr, verwandle die Menschen, so dass sie zuhören und verstehen können,
damit ich frei werde und endlich atmen kann.“
 

 

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